Die Geschichte der Familie Stecher

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Einführung

Den Stammbaum der Familie Stecher verdanken wir dem leider schon verstorbenen Arthur Harry Leipold aus Skokie Illinois. Arthur war von Herkunft eigentlich ein waschechter Risslbecher. Seine Großeltern, Friedrich Leipold, geboren 1862 in Unterrüsselbach und verheiratet mit Margareta Wölfel aus Mittelrüsselbach (geboren 1864) wanderten nach Racine in Wisconsin aus. Die Mutter der Margareta war eine Anna Stecher (geboren 1819) und diese wiederum eine Tochter des Johann Stecher (geboren 1791), des älteren Bruders von Wolfgang Tobias Stecher (geboren 1799), unserem direkten Vorfahren.


Der Ausgangspunkt: Crailsheim

Unser Stecher-Vorfahre Michael und seine Frau Jakobina werden in den Crailsheimer Kirchenbüchern als Pfalbürger bezeichnet. Rechts unter dem Bild habe ich einen Teil von Kapitel 16 der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356, die das Verbot dieser "Pfalbürger" oder "Pfahlbürger" enthält, in einen Kasten gestellt. Verboten wurde, dass Städte den tributpflichtigen Untertanen umliegender Landes- bzw. Grundherren das Bürgerrecht verliehen und diese damit unter ihren Schutz stellten. Die Neubürger lebten weiterhin an ihrem bisherigen Ort, genossen aber die Freiheiten der Stadt. Dass dies den Grundherren nicht schmeckte, ist nachvollziehbar. Wie ich aber auch gelesen habe, hatten die Städte stets einen Sterbe-Überschuß (Hygiene, Enge). Ihnen war also daran gelegen, dieses Defizit auszugleichen.

Der Begriff Pfahlbürger wurde zeitlich und regional unterschiedlich verwendet und steht auch in Zusammenhang mit den sogenannten Ausbürgern. Zum Teil wurde er synonym gebraucht. Das Historische Lexikon Bayens siedelt das Pfahlbürgerwesen hauptsächlich im Schwäbischen an. wiki.genealogy.net versteht unter Pfahlbürgern solche Personen, die in den Schutz der Stadt aufgenommen wurden, das Bürgerrecht aber nicht erworben oder zugestanden bekommen hatten. Immer wieder taucht auch die Vermutung auf, dass damit die Bürger gemeint waren, die zwar außerhalb der Stadtmauer, aber noch innerhalb des durch Pfähle gesicherten Stadtgebietes wohnten. Hatten die Pfahlbürger nun das Bürgerrecht oder nicht? Oder war dies ein minderes Recht?

Ehrlich, das kann uns völlig egal sein, denn um das Jahr 1700 gab es in Crailsheim gar keine Pfahlbürger!

Crailsheim war ab 1399 400 Jahre lang bis 1806 Teil des Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach. 1806 wurde es mit der Markgrafschaft für vier Jahre bayerisch. 1810 trat Bayern auf Grund des Grenzvertrags von 1810 Crailsheim, die westlichen Teile der Reichsstadt Rothenburg und das Fürstentum Öttingen an das Königreich Württemberg ab, das sich schon 1803 Schwäbisch Hall und die Gebiete der Propstei Ellingen einverleibt hatte. 1806 kamen auch das fränkische Fürstentum Hohenlohe und die Grafschaft Limpurg zu Württemberg. Durch die willkürlichen Teilungen und den Wegfall ihres Hinterlandes verarmten viele dieser Gebiete.

Die Bayern konnten sich gegenüber den Württembergern generös zeigen, hatte ihnen Napoleon doch Tirol bis hinab an den Gardasee zugeschanzt. Aber die Tiroler und Andreas Hofer fanden das gar nicht lustig (siehe Karte Bayern 1808). 1813, "im Vertrag von Ried sagte sich Bayern vom Rheinbund (Napoleon) los und verpflichtete sich, mit seiner Armee von 36000 Mann unter alliiertem Oberkommando gegen Napoleon zu operieren. Dafür garantierte Österreich Bayern im Namen der Alliierten den territorialen Status quo" (Haus der bayerischen Geschichte). Allerdings nahmen bayerische Truppen nicht an der Völkerschlacht bei Leipzig teil. "Im Juni 1814 wurden durch die Pariser Konvention Vorarlberg und Tirol von Bayern an Österreich abgetreten. Im Gegenzug dafür erhielt Bayern Aschaffenburg und Würzburg" (Einzelheiten siehe Haus der Bayerischen Geschichte). Damit waren auch diese fränkischen Gebiete bayerisch.

Aber nun zurück in die Markgrafschaft. Wenn ein neuer Markgraf die Regierung übernahm, musste ihm gehuldigt werden. Huldigungen waren Eide, die die Bevölkerung zu leisten hatte. Die huldigenden Bürger wurden in Listen eingetragen. Eine solche Huldigungsliste existiert auch aus dem Jahr 1703, als Markgraf Wilhelm Friedrich die Regierungsgeschäfte übernahm. Thomas Wenderoth PD Dr. phil. Dr.-Ing. habil., Architekt und seit 2021 Dozent für Denkmalpflege bei der Bayerischen Architektenkammer hat die Liste(n) benutzt, um Eigentumslose Haushalte in fränkischen Verzeichnissen zu identifizieren (Veröffentlicht 2021: Zwischen den Zeilen. Eigentumslose Haushalte in fränkischen Verzeichnissen aus vor- und frühstatistischer Zeit, Bamberg 2021. Schriften aus der Fakultät Geistes- und Kulturwissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Band 37 - Achtung 277 Seiten! Siehe auch Anmerkungen zu Wenderoth im rechten Kasten).

Daraus habe ich folgende Tabelle übernommen:

CrailsheimMieter.jpg

Wenn in Crailsheim keine "echten" Pfahlbürger verzeichnet sind, darf man wohl davon ausgehen, dass der Pfarrer die Bewohner der Vorstadt als "Pfahlbürger" qualifiziert hat. Vergleicht man die Liste von 1703 mit der von 1695, sieht man, dass die Zahl der Vorstädter von 14 auf 16 zugenommen hat. Einer der Zugezogenen dürfte Michael Stecher gewesen sein, dessen erstes Kind im Jahr 1698 in Crailsheim geboren wird. Seiner Tätigkeit als Taglöhner ging er wohl immer in Crailsheim nach. Ich habe alle Ortschaften im näheren Umkreis von Crailsheim nach Stechern durchsucht, aber ich musste feststellen, dass es dort nirgends Stecher gab. Uns könnte also nur der Zufallsfund einer Eheschließung eines Michael Stecher mit einer Jacobina Sowieso zwischen 1695 und 1697 in Irgendwo "aus der Patsche helfen".

Kommt es euch auch so vor? Ich habe das Pfahlbürger-Problem wohl etwas zu stark aufgeblasen.

Vorab: Viele Menschen aus unserer Gegend sind ab Mitte des 19. Jahrhunderts nach Racine/Wisconsin am Lake Michigan/USA ausgewandert. Racine liegt nicht ganz 100 Kilometer nördlich von Chicago.

Rick Larson, eine Nachkomme von hier, hat einen kompletten Auszug aus den Kirchenbüchern der Evang.-Luth. St.-Johannis Gemeinde Racine Vol. 1863-1901 in gedbas abgelegt. Ihr findet ihn hier: Kirchenbücher Racine .

Wenn ihr unter "Zeige Nachnamen, die folgendermaßen beginnen" euren Familiennamen eingebt, werdet ihr vielleicht fündig.

Noch was. Wenn ich T,T,B schreibe steht das für Taufen, Trauungen, Bestattungen

Vorbemerkung zu den Stechern in Rüsselbach und Ebach.
Die Stecher sind stets Mieter bzw. Hausgenossen oder höchstens Beständner (Pächter).
Erst Wolfgang Tobias (der Ältere) erwirbt mit dem Anwesen Hausnummer 9 in Mittelrüsselbach im Jahr 1850 Eigentum ("Wonger") und
Johann Stecher kauft im Jahr 1881 das Anwesen mit Hausnummer 22 ("Pflaum").
Mit den Frauen verhält es sich teilweise anders, wenn sie in ein Anwesen einheiraten.

                        Die Stecher im Zeitverlauf

Michael

Stecher

* berechnet 1664               

nicht Crailsheim

+ 26. August 1729

Crailsheim

Taglöhner

Jacobina

NN

* berechnet 1669               

nicht Crailsheim

+ 11. August 1739

Crailsheim

ca. 1697

unbekannt


Mehr

Georg Michael

Stecher

* 14. Juni 1700

Crailsheim

+ 13. April 1760

Triesdorf

Thorwart u. Heubinder

Maria Barbara

Müller

* 9. Oktober 1702

Haundorf

+ 7. Februar 1783

Triesdorf

8. Februar 1727

Weidenbach


Mehr

Johann Georg

Stecher

* 22. Oktober 1731

Triesdorf

+ 24. Oktober 1800

Ermreuth

Büttnermeister

Anna

Petschka

* 8. November 1732

Ermreuth

+ 25. März 1799

Ermreuth

27. Juni 1754

Ermreuth



Kunigunde

Malter

* 1. Juni 1752

Schusterstochter

+ unbekannt

unbekannt

2. Dez. 1799

Ermreuth

Mehr

Johannes

Stecher

* 9. Februar 1766

Ermreuth               

+ 16. Januar 1839

Ebach

Büttnermeister

Anna

Grau

* 10. Oktober 1762

Rauschenberg               

+ 12. August 1820

Unterrüsselbach

20. April 1790

Ermreuth


Mehr

Wolfgang Tobias

Stecher

* 1. November 1799

Mittelrüsselbach

+ 28.Mai 1876

Mittelrüsselbach 9

Büttnermeister

Barbara Helene

Wölfel

* 1. Januar 1801

Oberrüsselbach

+ 4. Oktober 1870

Mittelrüsselbach 9

15. Sept. 1828

Kirchrüsselbach


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Sebastian

Stecher

* 22. Oktober 1840

Ebach 9

+ 4. Dezember 1883

Mittelrüsselbach 9

Büttnermeister

Anna

Hollederer

* 30. Dezember 1844

Simonshofen

+ 5. November 1883

Mittelrüsselbach 9

2. Juni 1867

Kirchrüsselbach


Mehr

Wolfgang Tobias

Stecher

* 1. Juli 1868

Mittelrüsselbach 9

+ 31. Januar 1941

Mittelrüsselbach 9

Wagnermeister

Anna

Felseis

* 22. Februar 1868

Röckenhof

+ 31. Januar 1942

Mittelrüsselbach 9

23. Mai 1893

Kirchrüsselbach


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Johann

Stecher

* 17. Dezember 1893

Mittelrüsselbach 9

+ 15.November 1947

Mittelrüsselbach 7

Landwirt

Kunigunde

Keilholz

* 14. Februar 1896

Ödhof

+ 12. August 1990

Mittelrüsselbach 7

14. August 1917

Kirchrüsselbach


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Elisabeth

Stecher

* 23. September 1918

Mittelrüsselbach 7

+ 2. Juli 2011

Forchheim

Autoschlosser-Ehefrau

Johann

Kraus

* 26. Dezember 1915

Lauf-Neunhof 46

+ 26. November 1986

Bayreuth

23. Juli 1939

Kirchrüsselbach


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GoldeneBulleNBG.jpg

Warum ist hier das Bild der "Goldenen Bulle" von 1356 zu sehen?

Kaiser Karl IV. ließ auf Drängen der Fürsten und Landadeligen als
Kapitel 16 ein Verbot der "Pfahlbürger" in das Gesetzeswerk aufnehmen.

Das Bild zeigt das Nürnberger Exemplar. Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet die Nürnberger das Wachssiegel nicht vergolden ließen, "weil die Stadt im Dokument nur an einer hinteren Stelle genannt wird, was dem Selbstverständnis Nürnbergs nicht gerecht wurde", schreibt SZ-Autor Olaf Przybilla (SZ vom 16. April 2016).

Die Siegel der anderen sechs Exemplare sind alle vergoldet. "Immerhin stellte Karl IV. den Nürnbergern auch acht andere Bullen aus, die allesamt vergoldet wurden", berichtet Przybilla.
Näheres über die Goldene Bulle auch im Historischen Lexikon Bayerns

                                Das XVI. Kapitel.
                           Über die Pfahlbürger.

§.1. Da Uns in der Vergangenheit ständig Klagen zugetragen worden sind, nach denen einige Bürger und Untertanen versuchen, das Joch der ordentlichen gebührlichen Untertänigkeit abzuwerfen, in anderen Städten Unterkunft zu finden und dort als Bürger aufgenommen zu werden, solches auch oftmals erreichen, obwohl sie in den Gebieten ihrer früheren Herren weiterhin ihren persönlichen Aufenthalt haben [und formal damit auch dort das Bürgerrecht besitzen], sich aber der Freiheiten der Gemeinden, in die sie gezogen sind, erfreuen, Leute, die man in Deutschland gewöhnlich Pfahlbürger nennt, so gebieten und verfügen Wir durch diese auf ewig geltende Kaiserliche Verordnung aus rechtem Wissen und kraft unserer Kaiserlichen Gewalt und Kaiserlichen Machtvollkommenheit und aufgrund des einhelligen Rates aller Kurfürsten, Geistlichen und Weltlichen, dass die vorgenannten Bürger und Untertanen von diesem Tage an die Rechte und Freiheiten der Gemeinden, als deren Bürger sie sich unter solchem Betruge aufnehmen lassen, in keiner Weise erlangen sollen ...
§.2. .....
Ralph Glücksmann - “Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. vom Jahre
1356, Übertragung der neuhochdeutschen Übersetzung aus dem Jahre 1713”; Hamburg 2007

                    Die verwendeten Kirchenbücher

  • Crailsheim, evangelisch, ab 1533, ARCHION
  • Weidenbach (Triesdorf), evangelisch, ab 1645, ARCHION
  • Oberhöchstädt, evangelisch, ab 1628, ARCHION
  • Ermreuth, evangelisch, ab 1617, ARCHION
  • Kirchrüsselbach, evangelisch, ab 1533, ARCHION
  • ARCHION, KIRCHENBÜCHER ONLINE
 über Kirchenbücher, Beschreibung aus ARCHION  

Laut Thomas Wenderoth PD Dr. phil. Dr.-Ing. habil., Architekt und seit 2021 Dozent für Denkmalpflege bei der Bayerischen Architektenkammer "scheint es lokale Traditionen bei der Begriffswahl gegeben zu haben". Wenn ihr genaueres wissen wollt: sucht mit "Control F" im Buch nach den unten aufgeführten Begriffen.

Pfahlbürger
Während der Begriff bis ins 16. Jahrhundert einen Rechtsstatus zum Ausdruck bringt, wird er später auch stadttopografisch für Bewohner der Vorstädte verwendet, wohl im Hinblick darauf, dass diese zwar außerhalb der Stadtmauer, aber noch innerhalb des durch Pfähle gesicherten Stadtgebietes wohnten. In einer Definition des 18. Jahrhunderts heißt es: pfahlbuerger. es bedeutet dieses wort [...] diejenigen, welche leibeigen waren und sich in den staedten niederliessen.[...] Werden die Vorstaedtere also genennet, vermuthlich weil sie durch Phaele oder Pallisaden von der Stadt abgesondert wurden.

Hausgenosse
Mit Hausgenosse ist in der Regel ein Mieter aus der ärmeren Bevölkerungsschicht gemeint und kein Untergebener. Bedienstete, die im Haushalt mitlebten, wurden stattdessen als Ehalten bezeichnet.

Herberger
Der historische Begriff Herberger/Herbergsmann ist dem Begriff des Mieters im heutigen Sprachgebrauch am verwandtesten, da mit Herberger nur die Wohnsituation als Mieter und nicht zugleich auch eine Rechtssituation angesprochen ist.

Beständner
Ursprünglich und im juristisch korrekten Sinn handelt es sich bei einem Beständner um einen Pächter, der ein Wirtschaftsgut gepachtet hat, sei es ein Bauernhof, ein Stück Land, ein Gasthof oder ein Hammerwerk. Im dörflichen Bereich der Reichsstadt Nürnberg wurde der Begriff aber bereits früh auf alle Mietverhältnisse übertragen und nicht differenziert verwendet. So sind in den Bauernverzeichnissen ab 1529 unter diesem Begriff alle Bewohner subsumiert, die zur Miete wohnten. Überwiegend handelte es sich dabei um klassische Mieter, die lediglich ein Quartier, aber kein Land gepachtet hatten.

Inwohner
Im Amt Roth werden in den Huldigungslisten von 1603 die Mieter als Inwohner bezeichnet. Die Bezeichnung des Inwohners ist in den Quellen aber auch schon zuvor gebräuchlich. So lässt sie sich bereits 1476 in einem kaiserlichen Privileg nachweisen; hier wurde sie verwendet für Personen, die in der Reichsstadt Nürnberg arbeiten und wohnen durften, jedoch nicht über das Bürgerrecht verfügten und damit in Nürnberg auch kein Haus erwerben konnten.

Schutzverwandte
Einwohner, die nicht den Bürgerstatus in den Städten erwarben, mussten eine Ersatzabgabe leisten, das sogenannte Schutz- oder Verspruchgeld. Georg Andreas Will beschreibt den engen Zusammenhang zwischen dem SchutzverwandtenStatus und dem Mieterdasein, indem er angibt, dass der Schutzverwandte sich die Zugehörigkeit zur Herrschaft seines jeweiligen Vermieters mit dem entsprechenden Schutzgeld erkaufen musste. Laut den Berufsbezeichnungen gehören die Personen meist der Unterschicht an, genannt werden: Taglöhner, Gesellen, etc. wikipedia

Hintersasse
Als Hintersasse wird derjenige bezeichnet, der einer anderen Person rechtlich nachgeordnet war. In der Hauptverwendung des Wortes wird damit der Untertanenstatus der Landbevölkerung angezeigt, wenn von Hintersassen städtischer Stiftungen oder auch einzelner Bürger gesprochen wird. Diese rechtlich nachgeordnete Stellung gilt aber auch für Mieter, da der Vermieter de jure verantwortlich und haftbar für den Mieter war.