Keine Angst vor „Staatsschulden“

Geld ist kein knappes Gut. Jede Feld-, Wald- und Wiesen-Sparkasse kann soviel Giral-Geld erzeugen, wie sie Kunden (oder allgemein Nicht-Banken) findet, die bereit sind, sich zu verschulden. Alle Staaten haben sich durch die Übergabe ihrer Währungen an unabhängige Zentralbanken selbst zu Nicht-Banken degradiert. Damit haben sie sich die Hoheit über ihre Währungen selbst aus der Hand geschlagen. Diese Hoheit beinhaltet vor allem das Privileg als „lender of last resort“, als Kreditgeber letzter Instanz, selbst Geld zu erzeugen. Die Macht dieses Privilegs zeigte sich im Jahr 2012, als sich Finanz-Haie auf den Euro stürzten. Mit einem einzigen Satz, „whatever it takes“, wies sie Mario Draghi in die Schranken. Ein Staat mit Hoheit über seine eigene Währung, der sich nur in dieser verschuldet, kann niemals insolvent werden.

Wir müssen uns ehrlich machen: Staatsschulden wurden noch nie zurückgezahlt und können im gegenwärtigen System auch nicht zurückgezahlt werden. Wenn wir uns fragen, warum sie überhaupt entstanden sind, werden wir nur eine einzige schlüssige Antwort finden: die Staaten hatten in der Vergangenheit nie genügend Steuereinnahmen und mußten dieses Defizit durch Schuldenaufnahme ausgleichen.

Hinter diesem Mangel an Steuereinnahmen stecken vielfältige Gründe. Hauptsächlich ist es jedoch die neoliberale Politik der letzten 50 Jahre, die die Staaten durch Steuersenkungen und Privatisierungen geschwächt hat. Über die Staatsschulden haben externe Gläubiger einen Hebel, um die Staaten in ihrem Sinn zu beeinflussen. Die Neoliberalen behaupten etwa, wir würden uns auf Kosten unserer Enkel ein schönes Leben machen. Gerne verweisen sie auf die „schwäbische Hausfrau“, deren Rezepte aber nur für Spätzle und Schäuble gelten.

Warum können Staatsschulden – systembedingt – nicht zurückgezahlt werden? Beispiel Deutschland.

Ich habe mir einmal die „Schuldenuhr“ des Bundes der Steuerzahler angeschaut. Am 23. März 2019 wies sie einen Stand von etwas mehr als 1.928.000.000.000 Euro aus – das sind 1 Billion 928 Milliarden Euro. Pro Sekunde nehmen die Schulden – bei immer noch guter Konjunktur – lediglich um 94 Euro ab. Wir werden also in etwa 560 Jahren schuldenfrei sein. Freuet euch. https://www.steuerzahler.de/aktion-position/staatsverschuldung/dieschuldenuhrdeutschlands/?L=0 Übrigens gehen andere „Schuldenuhren“ davon aus, dass die deutsche Staatsverschuldung noch immer bei über zwei Billionen Euro „eingefroren“ ist. Alle anderen Euro-Länder weisen steigende Staatsschulden auf.https://www.smava.de/eurozone-schulden-uhr/

Damit liegt Deutschland trotzdem weiterhin über der im Maastricht-Vertrag vereinbarten Maximal-Verschuldung von 60 Prozent des Bruttosozialprodukts (BSP). Übrigens eine interessante, nutzlose Kennzahl: lassen wir das BSP über alle Grenzen wachsen, sinkt sie gegen Null, aber zu verzinsen sind nach wie vor 2 Billionen Euro?!

Durch eine effektive Rückzahlung der Staatschulden würde massiv in das aktuelle Wirtschaftsgeschehen eingegriffen werden. Das zur Rückzahlung verwendete Geld würde zu einem starken Nachfrage-Ausfall seitens des Staates führen, und die Infrastruktur würde noch mehr leiden als bisher schon. Ein hartergesottener Neoliberaler wird jetzt einwenden, das Geld verbliebe doch in der Volkswirtschaft. Aber nicht nur, dass Staatspapiere auch vom Ausland gehalten werden, wir wären dann auf die Gunst reicher Spender angewiesen: „Die Reparatur dieser Bücke wurde dankenswerter Weise von Familie XY gesponsert“. Es gilt also: die Fehler der Vergangenheit können in Gegenwart und Zukunft nicht rückgängig gemacht werden. Wenn Sie vor langer Zeit ein Bein verloren haben …

Die Neoliberalen, die Staatschulden immer als Staatsversagen geißeln, sind große Heuchler. Sie wissen natürlich ganz genau, dass die Staatsschulden ein Teil des Vermögens ihrer reichen Klientel sind. Nur dumme Neoliberale wissen nicht, dass das (Geld-)Vermögen des einen die (Geld-)Schulden eines anderen sind. Schulden und Vermögen einer Volkswirtschaft addieren sich immer zu Null, weshalb eine Volkswirtschaft insgesamt auch nicht sparen kann. Eine Volkswirtschaft „spart“ durch Invesitionen in die Infrastruktur oder meinetwegen auch in die Bildung ihrer Bürger. Nur dann freuen sich später die Enkel.

Natürlich sind es nicht nur die Neoliberalen, die für die Staatsschulden verantwortlich sind. Es gibt auch schwache Regierungen, die ihre Steuerforderungen nicht durchsetzen können (Griechenland, Italien) oder nicht durchsetzen wollen wie Deutschland (Erbschaftssteuer, Cum-Ex-, Cum-Cum-Geschäfte, usw.). Andere Staaten, lösen durch Niedrig-Steuern ein Steuer-Dumping aus.

Das sollte uns aber trotzdem nicht davon abhalten, das Problem der Staatschulden ein für alle mal zu beseitigen.

Mario Draghi hat uns in den letzten drei Jahren mit dem Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB schon den richtigen Weg gewiesen und der Europäische Gerichtshof hat die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens bestätigt. Allerdings ist es nicht die eigentliche Aufgabe einer Zentralbank, Staatsanleihen aufzukaufen.

Deshalb sollte die EZB durch eine, nennen wir sie, Europäische Staatsschulden-Agentur ergänzt werden. Als „lender of last resort“ wie die EZB, kann sie die über Jahrzehnte aufgelaufenen Altschulden allmählich, oder wenn notwendig, auch massiv „neutralisieren“.

Warum sage ich „neutralisieren“? Wenn die aufgekauften Papiere bei der Bundesbank liegen, muss die Regierung die Zinszahlungen dortin leisten. Damit erhöht sich der Bundesbank-Gewinn. Der muss aber am Ende des Jahres wiederum an den Finanzminister abgeführt werden. Ein Nullsummen-Spiel.

Die EZB hat in den vergangen drei Jahren Anleihen von insgesamt 2,6 Billionen Euro in ihr Depot übernommen. Davon entfallen 2 Billionen auf Staatsanleihen. Das „Handelsblatt“ schreibt dazu in seiner Ausgabe vom 24. März 2019:
„Die Käufe richteten sich dabei nach dem Kapitalschlüssel, also dem Kapitalanteil, den die Euro-Länder an der Notenbank halten. Deshalb hat die EZB …
… deutsche Staatsanleihen im Wert von mehr als 515 Milliarden Euro gekauft…
… etwa 420 Milliarden Euro an französischen Staatsanleihen im Depot.
… für 360 Milliarden Euro italienische Staatspapiere erworben.
Mit den Käufen wollte die EZB die Kreditvergabe im Euro-Raum und somit die Wirtschaft und die Inflation wieder ankurbeln.“
https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/wertpapierkaeufe-welche-anleihen-die-ezb-in-ihrem-depot-hat-eine-bilanz/23756978.html?ticket=ST-1971388-ZaLUvveMV3hpKwdIeYVh-ap4

Wenn der „lender of last resort“ die umlaufende Geldmenge vermindern will, legt er (grob gesprochen) verzinsliche Papiere auf. Das auf diese Weise zu ihm zurückgekehrte Geld wird dadurch „vernichtet“. Umgekehrt erhöht sich die Geldmenge, wenn der „lender“ Papiere aufkauft (und diese damit „vernichtet“?)

Ob die EZB ihr Ziel erreicht hat, bleibt dahingestellt. Jedenfalls hat das Ankauf-Programm die restliche Wirtschaft im Euro-Raum in diesen drei Jahren, soweit ersichtlich, nicht „gestört“ (es sein denn, man will die Vermögensspreis-Explosion in Deutschland nur darauf zurückführen). Diese 2 Billionen Euro an Staatsschulden, die die EZB vom Markt genommen hat, sind keine Petitesse: sie machen fast ein Fünftel der gesamten Staatsschulden im Euro-Raum in Höhe von ca. 10,5 Billionen Euro aus.

Wir sollten diese 2 Billionen getrost vergessen und als „vernichtet“ betrachten, denn es wird sich wohl niemand finden, der sie kauft – und das Nullsummen-Spiel muss nicht gespielt werden. Wir berechnen die Staatschulden der Eurozone ohne die „vernichteten“ 2 Billionen Euro: 8,5 Billionen Euro. Staatsschulden Deutschland: 1,5 Billionen Euro.

Die Euro-Staaten sollten die „Hoheit“ über ihre Staatsschulden an die Agentur übergeben. Diese wiederum übernimmt die Garantie für ihre Rückzahlung. Den gewonnenen Handlungsspielraum sollten die Staaten nutzen, um sich in Richtung einer „gerechten“ und auskömmlichen Besteuerung zu bewegen.

Natürlich kann die Agentur – wenn nötig – auch Staatspapiere begeben. Diese sollten wegen der – verlorengegangenen – Mündelsicherheit mindestens den Inflationsausgleich sicherstellen, aber auch nicht mehr. Sollte es zu einer zu starken Ausweitung der Geldmenge kommen, kann die EZB durch Ausgabe höherverzinslicher Papiere gegensteuern. Selbstverständlich wäre auch ein Tausch Alt gegen Neu vorstellbar.

Grundsätzlich sollte die Neu-Ausgabe von Staatspapieren durch das Interesse des Publikums begrenzt sein. Die Einnahmen dürfen nur für staatliche Investitionen und Ersatzinvestitionen verwendet werden. Dadurch sollte es wenigstens zu einer Verstetigung der Bauleistungen kommen und Strassen und Schulen wären wieder in gutem Zustand.

Jedenfalls, glaube ich, wäre durch die Schaffung einer solchen Agentur ein Ende der Nullzinspolitik absehbar.

Meine Hoffnung ist auch, dass das absolut sichere Rückzahlungsversprechen hilft, das Mißtrauen der Geschäftsbanken untereinander abzubauen, sodaß der Interbanken-Markt wieder Fahrt aufnehmen kann. Dann wird man auch sehen, wie sich die Target2-Salden entwickeln.

Übrigens: Falls es je zu einer solchen Agentur kommt, sollte sie zu allererst und sofort die kommunalen Schulden „neutralisieren“. Die Kommunen liegen, steuerlich gesehen, am Ende der „Nahrungskette“ und werden – bei bestehenden Strukturproblemen – immer tiefer in den Abgrund gezogen (höhere Arbeitslosigkeit, höhere Sozialhilfe-Ausgaben, abnehmende Attraktivität, usw.). Das führt zu recht zu Staatsverdrossenheit.

Hallo, deutsche Mitbürger, ich will nicht an Euer Geld. Ihr müsst nix zahlen. Das ist bloß Zentralbank-Zauberei.

Habt ihr was bemerkt? Es wäre das erste Mal, dass Staatsschulden zurückbezahlt würden!!

Oh, ich habe einen Artikel in der „Welt“ gefunden, der genau das beinhaltet, was ich vorschlage, aber der Autor Franz Stocker will das Problem nur mittels der Zentralbanken lösen: https://www.welt.de/finanzen/article188261147/Staatsschulden-Fuer-das-globale-Schuldenproblem-gibt-es-nur-eine-Loesung.html

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