Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Anwendung der Artikel 109, 109a, 110 und 115 GG („Schuldenbremse“) bis zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit

Die sogenannte „Schuldenbremse“ ist verfassungswidrig, weil sie das „Königsrecht des Parlaments“, das Etatrecht, erheblich beschneidet. Sie widerspricht dem „Ewigkeitsgedanken“ des Artikels 79 Absatz 3, weil ein früherer Zeitgeist Verfassungsrang erlangt hat. Das demokratische Prinzip der „Herrschaft auf Zeit“ wird widerrechtlich in die Zukunft verlängert.

Als Wähler verlange ich den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor einem „übergriffigen“ früheren Parlament, das meinen Wählerwillen annulliert. Ich fühle mich in meiner Würde beschädigt, wenn ich mit meiner Wahl-Entscheidung keinen oder nur noch einen eng begrenzten Einfluss nehmen kann und mich als „Stimmvieh“ missbraucht sehen muss, das obendrein noch der Lächerlichkeit des Auslands preisgegeben wird.

Der 2. Senat wendet in seinem Urteil vom 15. November 2023 zum ersten Mal Artikel 109 Absatz 3, Artikel 110 Absatz 2 und Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz (GG) an, die allgemein unter dem Begriff „Schuldenbremse“ subsummiert werden (Urteil des 2. Senates vom 15. November 2023, BvF 1/22 -, Rn. 1-231).

Ich fühle mich vom Senat im Stich gelassen, weil er es unterlassen hat, die obengenannten Artikel selbst auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Es handelt sich schließlich um einschneidende Eingriffe in das „Königsrecht des Parlaments“. Das allein schon rechtfertigt bzw. erfordert eine Überprüfung.

Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes wird allgemein als „Ewigkeitsklausel“ qualifiziert. „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche …. die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig“. Artikel 20 Absatz 2 ist die Konkretisierung des in Absatz 1 genannten Demokratieprinzips. Er lautet: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen …. ausgeübt“. Das konstituiert ein Primat der Wahl und des Wählerwillens. In der Zusammensetzung eines neu gewählten Bundestages manifestiert sich eine neue Staatsgewalt mit allen Rechten und Pflichten.

Nun kann es eine Staatsgewalt unternehmen, durch eine Grundgesetzänderung ihren Einfluss dauerhaft auch auf künftige Staatsgewalten auszudehnen um damit ihre in ihrer Zeit verhafteten und dem parteipolitischen und wissenschaftlichen Gezänk unterworfenen Auffassungen Verfassungsrang zu verleihen. Das steht im krassen Gegensatz zu dem in Artikel 79 Absatz 3 formulierten „Ewigkeitsgedanken“, verleiht es doch einer früheren Tagespolitik Ewigkeitsrang und verhindert, auf aktuelle Erfordernisse zu reagieren.

Von einem besonders schweren Eingriff ist auszugehen, wenn dadurch das Etatrecht, das „Königsrecht“ eines Parlaments, massiv eingeschränkt wird. Das Parlament hat nur noch einen einzigen Ausweg: Sparen. Alle in die Zukunft gerichteten notwendigen Vorhaben werden unterbunden. Das ausschließlich geforderte Prinzip der Jährlichkeit in Artikel 110 untergräbt überdies das Vertrauen in die Verlässlichkeit des Parlaments. Wie kann es noch garantieren, dass beschlossene Zusagen eingehalten werden? Die Planungssicherheit von Bevölkerung und Wirtschaft wird zerstört.

Wenn wir nun konkret den Artikel 115 betrachten fällt sofort auf, dass mit „0,35 vom Hundert“ irgendeine Grenze eingezogen wurde. Selbst wenn sie auf sachlichen Erwägungen beruhen sollte, hätten andere Erwägungen sicherlich zu einem anderen Ergebnis geführt. Wir haben es hier mit schierer Willkür zu tun.

Artikel 20 Absatz 2 schützt mit dem Primat der Wahl das Parlament auch vor sich selbst und verhindert, dass es sich sozusagen „selbst ins Knie schießt“. Wie will man denn den angerichteten Schaden wieder aus der Welt schaffen, wenn eine starke Zersplitterung des Parlaments vorliegt. Nur noch das Verfassungsgericht kann hier Abhilfe schaffen.

Schon der Versuch („berührte Grundsätze“) das Etatrecht künftiger Parlamente zu beschneiden ist von Anfang an nichtig.

Artikel 115 samt Nebengesetzen sind „übergriffig“ und verfassungswidrig.

Schon im Grundgesetz von 1949 meinte der Verfassungsgeber, sich mit Schulden befassen zu müssen. Doch mit diesem „Teufelszeug“ hat die Schwäbische Hausfrau dank Schwäbisch Hall und Wüstenrot ihr Häuschen bauen können, innovative Unternehmen konnten gegründet und die Produktivität bestehender Unternehmen gesteigert werden. Da steckte 1949 noch viel Mittelalter drin mit Schuldknechtschaft, Geldjuden und Wucherern. Bösartig könnte man sogar tradierten Antisemitismus unterstellen.

Von „unseren armen Enkeln“, den Erben der Staatspapiere, die immer wieder aus der argumentativen Mottenkiste gezogen werden, möchte ich hier nicht viel Wesens machen, um keine Neiddebatte auszulösen.

Dabei wäre es durchaus möglich gewesen, Schulden generell zu vermeiden. Die Regierung listet ihre geplanten Vorhaben auf, ermittelt den Finanzbedarf und errechnet anschließend wie die Steuersätze erhöht werden müssen, um das Ziel zu erreichen. Ich halte das nicht für gut, aber es wären jedenfalls keine „bösen“ Schulden zu „bremsen“ gewesen.

Zu den Ausnahmen des Artikels 109: Der Protagonist der „Schwarzen Null“ ist kürzlich verstorben. Er hinterlässt tausende marode Brücken, kaputte Straßen und Bahngleise, von den verlotterten Schulhäusern gar nicht zu reden. Allein die notwendige Beseitigung dieser Schäden – zu heutigen und künftigen Preisen – müsste zwangsläufig zu einer Dauerausnahme führen.

Ich bitte den Senat, sich der Tragweite für mich und unser Land bewusst zu werden und zügig zu handeln.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhard Kraus                                      Mittelrüsselbach, 30. Dezember 2023

Mittelrüsselbach

Weingarten 4

91338 Igensdorf                            ……………………………………………………

Tel. 09192 8415

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