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Birzel - derrisslbecher.de


Den Risslbecher in seinem Lauf hält jeder Ox und Esel auf


Eine etwas komplizierte Geschichte - wie der Hausname Birzel entstand 

Das Anwesen Mittelrüsselbach Nr. 7, heute Weingarten 4, war bis 1817 das Gemeinde- bzw. Hirtenhaus von Mittelrüsselbach. Dort wohnte nach dem Ankauf des kleinen Anwesens im Mai 1857 die Viktualienhändlerin Margaretha Bauer mit ihrer Tochter Elisabetha. Im Katasterauszug wird die Lage innerhalb des Dorfes "„beim Sauheinlein" genannt und als Verkäuferin trat dementsprechend eine Witwe Kunigunda Heinlein auf. Der Kaufpreis belief sich auf 250 Gulden (fl.). Ich besitze noch eine alte bemalte Truhe mit der Aufschrift "Bauer", die allerdings dringend restauriert werden müßte.

Das Hirten- oder Gemeindehaus weist seit 1646 Bewohner (Hirten) auf. Aus nicht mehr nachzuvollziehenden Gründen wurde es im Jahr 1817 von der Gemeinde um 258 fl an Heinrich Heinlein aus dem Neusleshof bei Pommer verkauft. Stattdessen baute man gleich daneben ein neues Hirtenhäuschen, heute Weingarten 2.

Die Tochter der neuen Besitzerin, Elisabetha Bauer, heiratete nach 1865 den 1837 geborenen Seihändler (Schweinehändler) Johann Pörzel (B i r z e l) aus Reggerhuf (Röckenhof). Das Paar übernahm das Anwesen im Jahr 1865 noch in der Verlobungszeit. Sie bekamen am 17. September 1866 den Sohn Johann, in der Folgezeit weist das Rüsselbacher Kirchenbuch nur Fehlgeburten aus. Johann Pörzel starb am 1. Juli 1887 als Soldat in Nürnberg an einem Schlaganfall und wurde auf dem Friedhof der Militärgemeinde bestattet.

Im Jahr 1872 verstarb die Schwester des Johann Pörzel in Röckenhof und die jüngste Tochter, Anna Felseis, geboren 1868, wurde von der Familie Pörzel als Tochter aufgenommen - von der Beerdigung der Mutter weg, kam die Anna auf dem Rücken der Elisabeth Pörzel nach Mittelrüsselbach. Sie war das 7. Kind der Felseis und die zweite Tochter.

Im Haus nebenan, bei Stecher, waren im Jahr 1883 beide Eltern kurz nacheinander (wahrscheinlich an Tuberkulose) verstorben. Die Kinder kamen zu Verwandten oder in die Lehre. Der älteste Sohn, Wolfgang Tobias Stecher, war beim Tod der Eltern gerade 14 Jahre alt. Er erlernte in Hiltpoltstein das Wagnerhandwerk und weil sein Vater Büttnermeister gewesen war, trugen sie nun den Hausnamen Bieners-Wonger (Büttners-Wagner).

Im Jahr 1893 heiratete der Wolfgang Tobias, der nach der Volljährigkeit das durch fremde Hände heruntergewirtschaftete Anwesen übernommen hatte, die Nachbars"tochter" Anna Felseis. Das erste Kind, Johann Stecher, mein Großvater, geboren am 17. Dezember 1893, wurde aus wirtschaftlichen Gründen (oder wegen des ums Leben gekommenen Sohnes der Pörzel?) an die alten Birzel übergeben und von diesen aufgezogen. Der nunmehrige Birzlers-Hans sagte ein Leben lang „Mama" zur Birzlin, obwohl seine Mutter nebenan wohnte. Im Lauf der Jahre brachte der Storch dem Hans noch weitere vier Geschwister ins Nachbarhaus.

Der Wolfgang Tobias und der Birzlers-Hans wurden nie richtig „warm" miteinander, allerdings sagte der Wolfgang Tobias, dass er nie wieder ein Kind hergeben würde. Er meinte, die alten Birzel hätten eigentlich für den Hans bezahlen müssen, aber er erhielt nie einen Pfennig, sondern erntete nur Kopfschütteln. Als er später mit anderen ein landwirtschaftliches Lagerhaus in Igensdorf gründete, ließ er den ältesten Sohn nicht teilhaben.

Im Jahr 1917, am 14. August, heiratete der Hans die Kunigunde (Kuni) Keilholz (Baier) aus Ödhof und die alten Birzel übergaben ihnen das Anwesen. Aber schau, aus dem „ehemaligen Gemeindehäuslein beim Sauheinlein" ist eine kleine Landwirtschaft, jetzt mit Stodel (Scheune) und Ställen herausgewachsen:

- mit dem Saulendenacker (Salendn) in Kirchrüsselbach, den die Margarethe Bauer schon 1862 für 400 Gulden gekauft hatte (heute Baumäcker 10, 12 und 14 sowie Steinäcker 14)

- mit dem Rüsselbachacker (Risslbooch) links vom Bahnweg überm Bach, den die Elisabetha Bauer 1864 für 880 Gulden gekauft hatte

- mit dem Grabenacker, direkt daneben gelegen, von den Birzeln 1870 für 125 Gulden erstanden

- mit dem unteren Bohllohacker, über Unterrüsselbach gelegen, 1880 für 1.714 Mark und 29 Pfennig gekauft

- mit dem Eichigacker (Beckerreith), zuerst gemeinschaftlich bewirtschaftet mit dem Johann König aus Mittelrüsselbach, dann für 380 Mark im Jahr 1884 Alleineigentum

- mit dem Eillachwald in Herpersdorf, 1897 für 985 Mark erworben.

Gut, über das bißchen Land lacht der Großbauer bloß, aber mir nötigt diese Leistung alle Achtung ab. Natürlich musste der alte Birzel Schulden machen, auch für den Kauf vom Eillachwald. Aber er sagte, er werde solange seihandeln (schweine-handeln) bis er diese abbezahlt habe und tats dann auch. Der alte Birzel  starb 1922, seine Frau Elisabetha 1924.

Ich habe ein Bild der beiden im Dener (Hausgang) aufgehängt, das sie fein heraus geputzt zusammen mit meiner Mutter etwa um 1920 zeigt, und jedes Mal wenn ich daran vorbeigehe, denke ich „danke, alter Birzel " - weil ich Nichtsnutz natürlich den Wald verkauft habe, um einen Teil meiner Schulden für eine Wohnung in Nürnberg zu tilgen - Miete statt nix und keine Angst mehr vor bösartig umstürzenden Bäumen und dem heimtückischen Eichenprozessionsspinner. Ich glaube, der alte Birzel als Seihändler und Geschäftsmann, hätte mich verstanden: brachliegendes Holz-Kapital in produktives Miet-Kapital umwandeln. Inzwischen habe ich auch den Bollohacker verkauft. Das tat schon richtig weh, aber die Gegenwart erforderte es.

Wenn der alte Birzel Streit mit seiner Angetrauten hatte, griff er zu einem besonders perfiden Mittel. Er öffnete das Stubenfenster, beugte sich hinaus und betrachtete das Dorfleben. Wenn die Elisabeth trotzdem weiterschimpfte, sagte er laut: „Du mußt mers ins Gsicht song, ned in Orsch ". Klar?

Zurück zum Birzlers-Hans. Bevor der sein Glück mit der Baiers-Kuni machte, hatte er auch ein Auge auf eine Tochter vom Mittelrüsselbacher Beck (Wölfel) geworfen. Er hielt also tapfer um die begehrte Käthe an und bekam von der Beckin folgenden Bescheid: „Geh Hans, Du kannst Di nu hausn gnouch (genug)" - das war eine Abfuhr, weil der Hans der Beckin also zu jung, in Wahrheit aberwohl zu gering war. Die Becker-Käthl heiratete später nach Ermreuth, wo es ihr anscheinend nicht besonders gut ging - sie nahm sich das Leben.

Auch der Birzlers-Hans war nicht untätig beim Eigentumserwerb:

- im Jahr 1930 kaufte er für 1.700 Goldmark das Weingarten genannte Grundstück mitsamt Wald hoch oben über Mittelrüsselbach,

- im Jahr 1936 das kleine Bohllhoäckerlein für 400 Reichsmark.

Die Kuni brachte neben ihrem Kammerwagen auch eine Ödhofer Wiese (Läbern), nahe dem Teufelsgraben gelegen, als Heiratsgut mit (1920), Wert damals 500 Mark. Im Rahmen der Benzendorfer Flurbereinigung wurde die Wiese näher an Rüsselbach gelegt. Wenn man von Mittelrüsselbach kommend in Benzendorf die erste Straße nach links abbiegt, liegt das 22 Ar große Handtuch direkt über der letzten Baumreihe rechts an der Straße.

Der Birzlers-Hans war in der Gegend gut bekannt, weil er seit 1915 bis zu seinem Tod im Jahr 1947 die Dreschmaschine führte. Er konnte diese Arbeit während des Krieges übernehmen, weil er wegen eines Herzleidens leider nicht an demselben teilnehmen konnte, weshalb ihn dann schließlich mit 53 Jahren der Magenkrebs dahinraffte - Maschinist kaputt.

Weil die zuletzt 14 Dowerg (1 Tagwerk = 1/3 Hektar) und die Drescherei anscheinend doch nicht genug einbrachten und weil er durch das Dreschen Einblick in viele Höfe hatte, betätigte sich der Hans noch als Schmuser für den Hüttenbacher Viehhändler Simon Hutzler. Er verriet diesem wo ein brauchbares Stück Vieh stand und päppelte es - wenn nötig - auch mal im eigenen Stall auf, damit ein besserer Preis erzielt werden konnte. Anschließend wurden Kuh oder Ochs zum Forther Bahnhof getrieben und für den Markt in Nürnberg verladen.

Fast jeden Sonntag stieg der Birzlers-Hans über den Berg nach Hiddnbooch um sich den verdienten Schmuser-Lohn abzuholen. Unterwegs machte er immer Station in Büll (Bühl, Oberrüsselbach), um mit seinem damals schon hochbetagten Freund Hans-Mirdl (Hans-Martin), dem gewesenen Schnadderbauern (Schneiderbauer, Heinlein), einen kleinen Schwatz zu halten. Zum Schmuserlohn gehörte auch die Einkehr in die Hüttenbacher Gastwirtschaft. Einmal, er war in Begleitung seiner Tochter, trug der Wirt zur Wurst plötzlich ein unbekanntes gelbes Zeugs auf. Pfui, das schaut ja aus wie Kinder-Sch... Es war aber bloß Senf.

Das Gebiet beim Sauheinlein scheint eine große Anziehungskraft auf Menschen auszuüben. Hat man nicht erst in letzter Zeit zehn Häuser in den ehemaligen Kirschgarten, "Büller" genannt, gebaut? Besonders magnetisch erwies es sich jedoch für die Ödhofer "Baier". Dem Birzlers-Hans seine Kuni hatte ja noch sechs Geschwister und so kam was kommen musste: der Bruder vom Hans, Georg Stecher aus dem Nachbarhaus, heiratete die Schwester Margarete Keilholz, und weil inzwischen beim direkten Nachbarn Heinlein durch einen Unfall die Stelle des Ehemanns vakant geworden war (nicht ganz freiwillig, wie der Hickers, ein original Oberrüsselbacher Heinlein, immer vermutete), heiratete der älteste Bruder von Kuni und Marchared, der Heinrich Keilholz, die Heinleins-Witwe.

Ach Hickers, jetzt war ich schon so oft an Deinem Grab und hab total vergessen Dir zu erzählen, dass ich in den Kirchenbüchern nach Deinem Ur-Großonkel Johann Heinlein geschaut habe: er ist am 5. September 1919 im Alter von 32 Jahren 2 Monaten und 7 Tagen wirklich vom Bredden gefallen. Der Pfarrer hat notiert: "Stürzt bei der Arbeit vom Scheunenboden herab und fügt sich dadurch einen Schädelbruch zu". Was sagt uns das über die Arbeit? Aber lassen wir das.

Ein paar Bilder zum Text

 





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